Sind Werte aus der Mode?

Sind Werte aus der Mode?

Vielfältige Werte, die wir in uns tragen, bestimmen tagtäglich unser Denken und Handeln. Was genau sind Werte? Sind Werte nicht längst überholte Ideale der „Spießbürger“ aus dem letzten Jahrtausend?

Das Online-Lexikon Wikipedia liefert folgende Definition: „Wertvorstellungen oder kurz Werte bezeichnen im allgemeinen Sprachgebrauch als erstrebenswert oder moralisch gut betrachtete Eigenschaften bzw. Qualitäten, die Objekten, Ideen, praktischen bzw. sittlichen Idealen, Sachverhalten, Handlungsmustern, Charaktereigenschaften beigelegt werden.“ (wikipedia.org, 14.04.17 / 18:82 Uhr METZ).

Stark vereinfacht gesagt – und diese Erklärung leuchtet mir persönlich am meisten ein, weil es unserem Alltagswortschatz entspringt und leicht zu merken ist – sind Werte schlicht und einfach das, was uns etwas wert ist. Diese Formulierung klingt, als gäbe es nur positive, wohlmeinende Werte. Ob das wirklich stimmt, werden wir im Laufe des Beitrags noch sehen.

Welche Relevanz das Wort „WERT“ in unserer Sprache hat, siehst du sofort, wenn du auf duden.de im Suchfeld „WERT“ eingibst. Bei mir ergab diese Suche sagenhafte 1.192 Treffer! Das zeigt eindeutig, dass wir auf dieses Wort „wertlegen“ und ohne „WERT“ schon rein sprachlich gar nicht mehr auskommen.

Grundsätzlich können Werte materieller oder immaterieller Natur sein. Allerdings lasse ich in diesem Beitrag jegliche Wertgegenstände und immaterielle Güter wie beispielsweise Patente außen vor, da diese eher in wirtschaftlicher Hinsicht interessant sind. Für die gesellschaftliche und persönliche Bedeutung von Werten sind sie für mich lediglich von untergeordneter Bedeutung.

Gesellschaftliche und persönliche Werte hingegen sind die Grundlage für jedes menschliche Handeln. Bereits in frühester Kindheit vermitteln Eltern ihrem Kind bewusst oder unbewusst bestimmte Werte, meist in Form von „das darf man“ und „das darf man nicht“. Durch Nachahmung, Wiederholung und durch Austesten erlernt das Kind, was erwünscht ist und was nicht. So entsteht ein unsichtbarer Katalog an Geboten, Verboten und Verhaltensoptionen, der zum Wertesystem des Kindes wird und dessen aktuelles wie auch zukünftiges Weltbild prägt. Werte geben einem Menschen Orientierung und tragen zu einem geordneten Zusammenleben bei.

Ein gesundes Werteempfinden fördert Akzeptanz und Toleranz gegenüber den Mitmenschen. Im Gegensatz zu Normen sind sie weniger starr. Familien berücksichtigen normalerweise allgemein gültige gesellschaftliche Werte (bspw. Respekt, Rücksichtnahme, Hilfsbereitschaft) und ergänzen diese durch eigene. Bereits in der Kindheit sollte Raum dafür da sein, dass sich das Kind gewisse Regeln und Werte selber schaffen darf. Spätestens im Erwachsenenalter kann der Mensch für sich selbst entscheiden, welche Werte er von seinen Eltern übernehmen möchte und welche ihm zusätzlich wichtig sind.

Neben der Familie gibt es im Laufe der Zeit viele weitere Personen, Gruppen und Institutionen, die Einfluss auf die Werteentwicklung eines Menschen haben, z. B. Freunde, Verwandte, Schule, Vereine, Arbeitskollegen, Ausbildungsbetrieb, Hochschule, Arbeitsstätte, jegliche Art von Medien uvm. Dies zwingt den Menschen immer wieder dazu, sich mit den Werten seiner Mitmenschen auseinanderzusetzen.

Beim Aufeinandertreffen unterschiedlicher Werte kann es zu sogenannten Wertekonflikten kommen: Gegensätzliche Werte prallen aufeinander, Werte werden unterschiedlich interpretiert, manche Werte sind einem unbekannt und fremd – gerade das Aufeinandertreffen von Menschen unterschiedlicher Kulturkreise stellt dabei oft eine Herausforderung dar.

Je bewusster sich ein Mensch über seine Werte ist, welche Gewichtung diese in seinem Leben haben (Wertehierarchie) und wie gut er mit seinen Werten umzugehen weiß (Wertekompetenz), desto schneller kann er eigenständig, situationsgerecht und sachbezogen Entscheidungen treffen.

Diese Werteklarheit erleichtert die Sinnsuche, mit der sich die meisten Menschen im Laufe ihres Lebens beschäftigen. Bereits Viktor Frankl hat festgestellt, „Seinem Leben Sinn zu geben ist das vielleicht Größte, zu dem ein Mensch in der Lage ist.“ Genau das ist doch das Spannende in unserem Leben!

Warum beschäftigt sich dann nicht jeder Mensch mit seinen individuellen Werten? Es erscheint unverständlich, dass viele absolut keinen Gedanken daran verschwenden, obwohl die Beschäftigung mit diesem Thema in den meisten Fällen der Schlüssel zu viel mehr Lebensqualität ist.


Was hält Menschen zurück, sich diesen Schlüssel zu sichern?


Da es nicht nur positive Werte gibt, ist es für die meisten Menschen unangenehm und manchmal auch schmerzhaft, sich mit ihren Schattenseiten zu beschäftigen. Deshalb unterdrücken sie diese Gedanken lieber und schieben sie weit von sich weg.

Ein anderer Grund könnte sein, dass niemals der richtige Zeitpunkt ist, sich mit Werten auseinanderzusetzen. Hierfür trägt man sich normalerweise keinen Termin in den eh schon prallgefüllten Kalender ein…

Vielleicht hat auch alles andere Priorität, bevor man sich gestattet, sich um sich selbst zu kümmern und in sich hinein zu lauschen.

Oder – und das ist mit Sicherheit einer der Hauptgründe, warum Menschen sich nicht mit Werten beschäftigen – sie verkennen die Bedeutung und den starken Einfluss von Werten auf all ihre Handlungen. Egal, was wir tun, unsere Werteauffassung schwingt immer im Hintergrund mit.

In unserem Unterbewusstsein sind enorm viele Werte verankert, die sich in unserem ganzen bisherigen Leben angesammelt haben. Wenn wir uns nicht mit ihnen beschäftigen, bleiben sie unsortiert, verursachen ein „Werte-Durcheinander“, hebeln sich vielleicht sogar gegenseitig aus, kämpfen gegeneinander…. und führen dazu, dass wir oft nicht zu den von uns gewünschten Ergebnissen kommen, dass sich unsere Wünsche nicht erfüllen. Sie sind auch der Grund für das Phänomen, dass manche immer wieder an die gleiche Art von Partner geraten, dass sich schmerzhafte Verhaltensmuster wiederholen, obwohl wir das gar nicht wollen und uns vorgenommen haben, es künftig besser anzugehen.

Wer sich über seine Werte nicht im Klaren ist, nervt sein Umfeld. Wenn du selbst nicht weißt, was du willst und was dir etwas wert ist, wie soll es dann bitteschön der andere wissen? Der Umgang und die Kommunikation mit einer Person, die ihre Werte kennt und diese lebt, ist viel lockerer und unbeschwerter als mit einem werteunbewussten Menschen. Klarheit wirkt attraktiv und sexy auf andere! Sie trägt dazu bei, dass sich andere Menschen in der Nähe dieser Person wohl fühlen. Unklarheit hingegen führt oft zu negativen Werten wie Nörgelei, Neid, Rechthaberei und anderen Verhaltensweisen, die unsere Mitmenschen von uns wegtreibt.

Bei der Arbeit mit deinen eigenen Werten solltest du auf jeden Fall beachten, dass du deine Werte zwar aufdeckst, diese aber vorerst nicht be- oder verurteilst, sondern nur zur Kenntnis nimmst und akzeptierst. Weiterhin solltest du dir darüber bewusst sein, dass es zwar keinen Werteverfall (wie von vielen behauptet) gibt, wohl aber einen Wertewandel. Die Werte von damals (z. B. als unsere Eltern jung waren) sind nicht mehr die gleichen wie heute. Lässt du diesen Wandel unbeachtet, basiert dein Wertesystem möglicherweise auf „veralteten“ Werten, die außer dir selbst kaum noch jemanden interessieren.

Selbstverständlich kannst du dennoch an diesen Werten festhalten, solltest dir jedoch nicht auf den Schlips getreten fühlen, wenn die Menschen um dich herum diese nicht für wichtig erachten oder gar verletzen. Lieber denken „Aha, dieser Wert scheint für andere überholt zu sein“ und diese Tatsache hinnehmen. Allerdings dürfte klar sein, dass wenn du auf einem solchen Wert beharrst und ihn durchsetzen möchtest, es zu Konflikten kommen kann.

Allein dieses Wissen gibt dir die Freiheit zu entscheiden, ob du einen solchen Konflikt eingehen möchtest oder nicht. Bist du dir dessen nicht bewusst, stürzt du dich womöglich wertgeleitet – ohne großartig darüber nachzudenken – voll in die Konfrontation.

Ein Wertewandel kann nicht nur über die Generationen hinweg erfolgen, sondern auch zwischen verschiedenen Lebensphasen. Werte, die uns in unserer Jugend wichtig sind, unterscheiden sich oft sehr stark von den Werten, die wir als Eltern, in unserer Lebensmitte oder im Rentenalter haben. Das ist normal, da sich unsere Bedürfnisse ändern und wir immer mehr Lebenserfahrung in uns tragen. Alles hat seine Zeit. Ohne Bewertung. Ohne Herabwürdigung früherer Lebensphasen. Ohne Rechthaberei.

Egal in welcher Lebensphase du dich aktuell befindest, die von dir gewählte Wertekombination wirkt wie ein „innerer Kompass“, der dich in eine bestimmte Richtung dirigiert – optimalerweise volle Kraft voraus in ein erfülltes Leben – oder dich auf der Stelle treten lässt. Werte sind nicht aus der Mode, sondern vielmehr allgegenwärtig und brandaktuell!

Solltest du auf den Geschmack gekommen sein, wünsche ich dir bei deiner Wertearbeit eine Fülle von spannenden Erkenntnissen!

Trage deinen maximalen Wert in die Welt – sie braucht dich!

Deine Michaela Schmid